Moskenstraumen
Kunst und Zeitgeist

16. November 2010

Die Struktur einer intimen Gesellschaft ist durch zwei Momente geprägt. Innerhalb der sozialen Beziehungen wird ein spezifischer Narzißmus mobilisiert, und die Enthüllung der eigenen Empfindungen vor anderen wird destruktiv. Damit in einer Gesellschaft der Narzißmus in dieser Weise mobilisiert werden kann, damit die Menschen ihre ganze Aufmerksamkeit auf vage Gefühls- und Motivtönungen richten, muß das Interesse des Gruppen-Ichs suspendiert werden. [...] Eine destruktive Gemeinschaft entsteht dort, wo die Menschen glauben, daß sie ihre Empfindungen voreinander enthüllen müssen, um emotionale Bindung herzustellen. Diese Bindung beruht auf einer Kollektivpersönlichkeit, die sie durch wechselseitige Selbstoffenbarungen hervorbringen. Auch diese Phantasie von Gemeinschaft durch Teilhabe an einer Kollektivpersönlichkeit geht auf die Kultur des 19. Jahrhunderts zurück.
- Richard Sennett: "Verfall und Ende des öffentlichen Lebens - Die Tyrannei der Intimität"

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