Moskenstraumen
Kunst und Zeitgeist

23. November 2010

Ich arbeite mit den Elementen des Geistes, mit der Einbildungskraft, ich versuche, das Abstrakte konkret zu machen, ich gehe vom Allgemeinen zum Besonderen, d.h. ich gehe von einer Abstraktion aus, um zu einer konkreten Wirklichkeit zu gelangen, meine Kunst ist eine Kunst der Synthese, eine deduktive Kunst. Ich will dazu gelangen, neue Einzeldinge herzustellen, indem ich von allgemeinen Grundformen ausgehe. Meiner Meinung nach ist das Allgemeine die rein bildnerische, die künstlerisch gesetzmäßige, die abstrakte Seite, ich will sie vermenschlichen: Cézanne macht aus einer Flasche einen Zylinder, ich gehe von einem Zylinder aus, um ein Einzelding vom Typus Flasche zu machen. Cézanne strebt der Bildarchitektur zu, ich gehe von ihr aus, deshalb komponiere ich mit Abstraktionen (Farben), und indem ich diese Farben ordne, lasse ich sie zu Gegenständen werden.
- Juan Gris: "Synthetischer Kubismus" (1921)

21. November 2010

[...] möchte ich doch darauf aufmerksam machen, dass die modernen mechanischen Verfahren - die Farbphotographie, der Cinematograph, die Fülle mehr oder weniger populärer Romane, die Verbreitung des Theaters - die Ausführung eines visuellen, sentimentalen, beschreibenden und allgemein verständlichen Sujets durch die bildende Kunst wirksam ersetzen und künftig überflüssig machen.
 
Ich frage mich wirklich: - worauf wollen alle jene mehr oder weniger historischen oder dramatischen Bilder in den französischen "Salons" angesichts des ersten Bildschirms des Kinos noch Anspruch erheben?
- Fernand Léger: "Realismus auf neuer Grundlage" (1913)

18. November 2010

In meinen Augen ist der Modernismus eine Intensivierung, um nicht zu sagen eine Verschärfung dieser selbstkritischen Tendenz, die mit dem Philosophen Immanuel Kant begonnen hat. Weil er der erste war, der die Mittel der Kritik ihrerseits der Kritik unterwarf, halte ich Kant für den ersten wirklichen Modernisten.
- Clement Greenberg: "Modernistische Malerei"

16. November 2010

Die Struktur einer intimen Gesellschaft ist durch zwei Momente geprägt. Innerhalb der sozialen Beziehungen wird ein spezifischer Narzißmus mobilisiert, und die Enthüllung der eigenen Empfindungen vor anderen wird destruktiv. Damit in einer Gesellschaft der Narzißmus in dieser Weise mobilisiert werden kann, damit die Menschen ihre ganze Aufmerksamkeit auf vage Gefühls- und Motivtönungen richten, muß das Interesse des Gruppen-Ichs suspendiert werden. [...] Eine destruktive Gemeinschaft entsteht dort, wo die Menschen glauben, daß sie ihre Empfindungen voreinander enthüllen müssen, um emotionale Bindung herzustellen. Diese Bindung beruht auf einer Kollektivpersönlichkeit, die sie durch wechselseitige Selbstoffenbarungen hervorbringen. Auch diese Phantasie von Gemeinschaft durch Teilhabe an einer Kollektivpersönlichkeit geht auf die Kultur des 19. Jahrhunderts zurück.
- Richard Sennett: "Verfall und Ende des öffentlichen Lebens - Die Tyrannei der Intimität"

10. November 2010

Berlin ist das ultimative Bild für die creative industries. Hier droht auch kein Aufstand, denn es leben keine Banker und reichen Leute hier, die man attackieren könnte. Die sind nur am Wochenende da, zu Besuch, wenn sie Homo ludens spielen wollen. Kultur wird nicht mehr als gesellschaftlicher Gegenentwurf eingesetzt, weil die Kultur sich nicht mehr auseinandersetzt mit einer traditionellen Form von Potenzialität: Unsicherheit, Angst und so weiter, das sind keine Themen mehr. Stattdessen bedeutet Kultur: mitmachen. Der Wowereit-Slogan „Arm, aber sexy“ könnte schnell zu einem „Arm, aber noch am Leben“ führen: In Berlin wird der Homo ludens, das künstlerische Prekariat, früher oder später in seiner eigenen Stadt in der Falle sitzen wie in einem Militärkessel – man wird weder hinein- noch hinauskönnen.
- Chris Dercon

8. November 2010

My ideal [...] is the pyramid-look, because you don't have to think about a ceiling. You want to have a roof over your head, so why not let your walls also be your ceiling, so you have one less thing to think about - one less surface to look at, one less surface to clean, one less surface to paint. The tepee-dwelling Indians had the right idea. A cone might be nice if circles didn't exclude the edges and if you could find the right round sink, but I prefer an equilateral-triangular pyramidal-shaped enclosure even more than a square-based pyramid shape, because with a triangular base you have one less wall to think about, and one less corner to dust.
- Andy Warhol, "The philosophy of Andy Warhol", 1975

6. November 2010

Die Inspiration! Hahaha! Das ist eine alte romantische Idee ohne Sinn und Verstand. Die Inspiration, das ist so eine Art von Blitzschlag, der plötzlich einen jungen Menschen von zwanzig Jahren dazu treibt, eine Figur aus dem Marmorblock herauszuhauen, ein Meisterwerk auf den ersten Anlauf zu schaffen, im Delirium seiner Phantasie! Das ist blödsinnig, um so mehr als man schlecht sieht, wenn man jung ist, man liebt die Arbeit nicht, weil man nicht zu arbeiten versteht. Alles, was man in der ersten Hitze bei großer Exaltation macht, muß man nachher zerstören.
- Auguste Rodin

4. November 2010

Wunderbar! Kommerz ist doch herrlich. Das muss sich noch steigern, so extrem werden, dass ein Kunstwerk fünf Milliarden kostet. Dann erst wird es spannend. Wenn ein Bild die Staatshaushalte von ganz Südamerika verschlingt. Der Kunstmarkt ist eine lustige Nebenerscheinung. Wie eine Glücksspielhölle in Las Vegas.
- Jonathan Meese

2. November 2010

Unser Zeitalter zieht das Bild der Sache vor, die Kopie dem Original, die Vorstellung der Wirklichkeit, den Schein dem Wesen.
- Ludwig Feuerbach: "Das Wesen des Christentums", 1841