Moskenstraumen
Kunst und Zeitgeist

25. April 2011

Am Ende eines guten Jahrhunderts an unterstellter Kritik an der Tradition der Mimesis muss man feststellen, dass diese Tradition noch immer herrschend ist, bis in die Formen hinein, die künstlerisch und politisch subversiv sein wollen. Man nimmt an, dass die Kunst uns empört, wenn sie uns empörende Dinge zeigt, dass sie uns mobilisiert, wenn sie das Atelier oder das Museum verlässt, und uns in Gegner des herrschenden Systems macht, wenn sie sich selbst als Element des Systems verleugnet. [...] Nennen wir das das pädagogische Modell der Wirksamkeit der Kunst. Dieses Modell prägt weiterhin die Produktion und das Urteil unserer Zeitgenossen. Wir glauben sicher nicht mehr an eine Verbesserung der Sitten durch das Theater. Aber wir lieben es noch immer zu glauben, dass dieses oder jenes in Harz gegossene Werbeidol uns gegen das mediale Reich des Spektakels aufbringen wird oder dass eine Fotoserie über die Darstellung der Kolonisierten durch die Kolonisten uns helfen wird, heute die Fallen der dominanten Repräsentation der Identitäten zu vermeiden.
– Jacques Ranciére: "Der emanzipierte Zuschauer" (2008)

7. April 2011

Was auch immer im öffentlichen Raum zur Sprache kommt: Die Not-Lüge redigiert den Text. Alle veröffentlichten Reden unterliegen dem Gesetz, den an die Macht gelangten Luxus in den Jargon der Not zurück zu übersetzen.
– Peter Sloterdijk: "Sphären III - Schäume, Plurale Sphärologie" (2004)